Bundestag beschließt Verbot von Fracking
Aus gegebenem Anlass beleuchten wir hier in Form eines älteren Beitrags nochmals das Thema Fracking. Denn der Bundestag hat vor wenigen Tagen beschlossen, dass diese Fördermethode in Deutschland erstmal untersagt wird. Der Kampf um ein Vebrot der umstrittenen Gasfördermethode hat Monate gedauert.
Zukünftig sollen maximal lediglich noch vier Probebohrungen möglich sein, denen aber auch noch durch die jeweilige Landesregierung zugestimmt werden muss. Zudem müssen sie von einer Expertenkommission begleitet werden.
Im Jahr 2021 steht das Verbot im Bundestag dann erneut auf dem Prüfstand. Verschärft wurden zudem die Vorschriften für konventionelles Fracking, wie es schon seit Jahrzehnten angewandt wird. Für das Gesetz stimmten 436 Abgeordnete, mit Nein votierten 119 Parlamentarier, neun enthielten sich.
Warum Fracking?
Was allgemein als Fracking bezeichnet wird, trägt in Fachkreisen den Namen „Hydraulic Fracturing“ (übersetzt etwa: „hydraulisches Aufbrechen“). Bei der normalen Förderung von Öl oder Gasvorkommen wird – vereinfacht gesagt – ein Loch bis zu der Stelle gebohrt, wo sich ein großes Erdöl- oder Erdgas-Reservoir befindet. Im Idealfall sieht das in etwa aus wie ein unterirdischer See aus den begehrten fossilen Brennstoffen, die dann verhältnismäßig einfach angezapft werden können. Nun ist es in vielen Teilen der Welt so, das es zwar durchaus erhebliche Vorkommen gibt, diese aber nur schlecht zu fördern sind. Denn längst nicht immer sind die geologischen Voraussetzungen ideal. Sehr häufig befinden sich die Gas- oder Ölvorkommen eben nicht in einem konzentrierten und leicht erreichbaren Punkt, sondern verteilen sich innerhalb der Gesteinsschichten, wo sie nicht ohne Weiteres erreicht werden können. Früher wäre eine Nutzung solcher Vorkommen nur mit extrem hohen Kosten möglich gewesen – wenn überhaupt. Aber auch die Ausnutzung von schlecht erreichbaren Restvorkommen in bereits konventionell ausgebeuteten Lagerstätten steht auf dem Wunschzettel vieler Energieunternehmen.
Seit einigen Jahren ist nun eine andere Fördermethode im Einsatz, die eine Ausbeutung schwer zugänglicher Rohstoffvorkommen ermöglicht. Beim Hydraulic Fracturing wird zunächst auch ein „normales“ Bohrloch benötigt, das in die fraglichen Gesteinsschichten getrieben wird. Um nun an das Öl oder Gas heranzukommen, wird unter hohem Druck Flüssigkeit eingebracht. Dabei handelt es sich nicht nur um Wasser, sondern auch um diverse Chemikalien, Sand und andere Hilfsmittel. Überschreitet der Druck der eingepressten Flüssigkeit die im Gestein anliegende Spannung, wird es auseinandergedrückt und aufgebrochen. Ganz nach dem physikalischen Grundsatz „Wo ein Körper ist, kann kein zweiter sein“ verdrängt die Flüssigkeit das in den Gesteinsschichten lagernde Öl oder Gas. Die eigentliche Förderung wird dann über zusätzliche Bohrungen bewerkstelligt. Damit die gewünschten Ergebnisse erzielt werden, ist ein erheblicher Energieaufwand nötig. Rund 200 verschiedene Chemikalien und bis zu 5000 Kubikmeter Wasser werden mit einem Druck von über 1000 bar in den Erdboden gepresst – für jeden sogenannten Frack.
Der Konflikt
Gegner des Fracking halten die Methode für extrem gefährlich für Umwelt und Menschen. Denn beim Aufbrechen der Gesteinsschichten besteht das Risiko, dass die mit giftigen Chemikalien belasteten Flüssigkeiten auch bis in das Grundwasser vordringen können und somit eine Gesundheitsgefahr darstellen. Auch der Austritt von Erdgas oder Öl, das durch Risse seinen Weg in das Grundwasser finden kann, erscheint problematisch. Tatsächlich gibt es Berichte aus den USA und anderen Ländern, in denen das Fracking verstärkt eingesetzt wird, nach denen Bewohner bestimmter Ortschaften ihr Leitungswasser anzünden können, weil erhebliche Mengen an Methan mit nach oben gepumpt werden. Auch das Oberflächenwasser kann durch zurückgepumptes Bohrwasser verunreinigt werden. Befürworter der Fördermethode halten solche Fälle aber für nicht repräsentativ und versichern, dass bei korrekter Anwendung der Technologie keine Gefahren für Menschen oder die Umwelt bestünden. Zudem sei ein direkter Zusammenhang zwischen dem Fracking und dem „Trinkwasser-Anzünden“ längst nicht erwiesen, da dies auch durch den natürlichen Austritt von Erdgas in andere Gesteinsschichten entstehen könne. Doch nicht nur die direkten Schäden durch die Einbringung der Chemikalien und den unerwünschten Austritt von Gas oder Öl an den falschen Stellen ist problematisch. Umweltschutzorganisationen weisen auf das Risiko der Auslösung von Erdbeben hin, wie sie auch bei Tiefenbohrungen für die Nutzung von Geothermie immer wieder zur Diskussion steht.
Fracking – Das Ende der Abängigkeit?
Die wirtschaftlichen Interessen beim Fracking sind enorm. Galt das Hydraulic Fracturing früher als viel zu teuer, haben der großflächige Einsatz und die gesteigerte Effizienz bei der Förderung in den USA inzwischen dafür gesorgt, dass das Land die Abhängigkeit von Energieimporten stark verringern konnte. In wenigen Jahren, so die Prognose vieler Experten, könnten die USA damit nicht nur zum Netto-Exporteur werden (man würde also mehr Öl und Gas aus eigener Förderung exportieren, als man aus dem Ausland einführt); sogar ein Aufstieg zur größten Fördernation der Erde erscheint möglich. Damit will die US-Regierung endlich die Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten verringern, das seit Jahrzehnten immer wieder für politische und ökonomische Interessenkonflikte sorgt. Daher überrascht es nicht, dass Präsident Barack Obama das Fracking ebenfalls als Chance für die amerikanische Energiewirtschaft betrachtet und damit die Politik der Vorgängerregierung unter George W. Bush fortführt. Nicht zuletzt beschert es den amerikanischen Verbrauchern auch relativ geringe Energiekosten, jedenfalls im Vergleich zu dem, was deutsche Verbraucher zahlen müssen.
Europa hat andere Fracking Voraussetzungen
Auch in Europa gibt es besonders im Bezug auf Erdgas noch viele ungenutzte Vorkommen, die sich mit herkömmlichen Fördermethoden nicht oder nur schlecht ausbeuten lassen. Daher stellt sich die Frage, ob das Fracking auch hierzulande in großem Stil eingesetzt werden könnte. Die Situation ist jedoch eine andere als in den USA. Schon rein aus Platzgründen ist es kaum vorstellbar, dass in Mittel- und Westeuropa größere Gas- und Ölfelder mit einem neuen Wald aus Bohrtürmen gefördert werden könnten, wo schon jede neue Windkraftanlage als Belästigung für das Auge gilt. Die dichte Besiedlung unseres Kontinents macht es außerdem schwierig, die ohnehin erheblichen Bedenken in Sachen Umweltschutz auszuräumen, denn das Problem der Erdbebengefahr oder der Verseuchung des Grundwassers ist in Ländern wie Deutschland von ganz anderer Bedeutung als dort, wo man weite Landstriche ohne Besiedlung findet. Aber auch die Kostenfrage macht das Fracking für Deutschland wenig rentabel. Denn obwohl das Hydraulic Fracturing beispielsweise in den USA gewinnbringend eingesetzt wird, ist die Rentabilität in Europa eine ganz andere. Speziell die in Deutschland vermuteten Vorkommen an Erdgas würden nur unter sehr hohem Kostenaufwand gefördert werden können. Da sie zudem nicht gewaltig groß sind, wären sie nach wenigen Jahren bereits erschöpft, so die Prognosen. Eine wirkliche Unabhängigkeit von Gasimporten (vor allem aus Russland) wäre damit also nicht einmal kurzfristig zu erreichen, sagen die Gegner von Fracking in Deutschland. Neben den Bedenken, was die Fördermethode und die damit verbundenen Gefahren an sich betreffen, spielt aber auch der Klimaschutz eine Rolle bei der Ablehnung. So verweist Greenpeace darauf, dass es klimapolitisch keine gute Idee sei, weiterhin auf die Förderung fossiler Brennstoffe zu setzen. Damit, so die Argumentation, könne man den Umstieg auf erneuerbare Energien kaum erreichen. Zwar sei es richtig, dass besonders Gaskraftwerke für eine Übergangszeit nach dem Atomausstieg benötigt würden, doch sieht man die Neuentdeckung von Gas und Öl mit Hilfe von Fracking als Rückschritt hinsichtlich der Gefahren durch die globale Erwärmung. Die Erschließung klimafreundlicher Energieträger werde dadurch weiter verzögert, so Greenpeace.
Klimaschädlichkeit und Erdbebengefahren – Die Beweise fehlen
In Deutschland ist die Diskussion um das Fracking noch relativ unaufgeregt, weil mangels großer Vorkommen und wenig Erfahrungen mit der Technologie keine Großprojekte anstehen, über die entschieden werden müsste. Die Politik hält sich auffallend zurück, was Aussagen über das Fracking und seine potenziellen Risiken angeht. Die Förderung von Schiefergas in Norddeutschland wird und wurde aber ebenfalls diskutiert. Hierzu gibt es sogar Studien, die offenbar belegen, dass eine Förderung von Schiefergas nicht klimaschädlich wäre und beim Einsatz zur Stromerzeugung unter dem Strich sogar weniger klimaschädliche Effekte mit sich bringe, als dies bei der Stromerzeugung durch Kohle der Fall sei. Solche Studien werden aber nach Angaben des Umweltbundesamtes stets durch Einschränkungen der Autoren in alle Richtungen abgesichert, sodass eine endgültige Antwort auf die Frage, ob Schiefergas nun das Klima weiter schädigt oder nicht, derzeit nicht gegeben werden könne. Die Angst vor Erdbeben ist ein weiterer wichtiger Punkt bei der Argumentation gegen das Fracking. Und tatsächlich lassen sich bestimmte Erschütterungen messen, die durch das Aufbrechen der Gesteinsschichten verursacht wurden. Doch beinahe alle namhaften Seismologen und Erdbebenexperten sind sich derzeit darin einig, dass die Auslösung von sogenannten „Schadensbeben“ mit einer Stärke von mehr als 3 auf der Richterskala durch Fracking kaum möglich sei. Da aber auch unterhalb der Stärke 3 Beben bereits spürbar für die Anwohner sein können, bleiben viele Bürger skeptisch. Geologen verweisen dennoch darauf, dass die Eingriffe durch das Fracking lokal so begrenzt sind, dass stärkere Erdbeben dadurch nicht zu befürchten sind. Die Diskussion ähnelt hier stark den bereits bekannten Auseinandersetzungen um die Nutzung von Erdwärme, bei der es ebenfalls manchmal zu unerwünschten Auswirkungen kommt.
Bilder aus den USA beeinflussen Fracking-Diskussion in Deutschland
In Deutschland basiert die derzeitige Diskussion um das Fracking dann auch eher auf den Berichten, die aus den USA und anderen Ländern zu dem Thema zu finden sind. Sie werden in der Argumentation in der Regel ohne weitere Anpassung übernommen, was dann in der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fakten zu Ungenauigkeiten führt. So lassen sich die Gegebenheiten in den USA kaum mit denen in Deutschland vergleichen. Den plakativen Bildern brennender Wasserhähne haben die Befürworter aber kaum etwas entgegenzusetzen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat sich aktuell im Mai 2013 gegen ein weiteres Vorantreiben von Fracking in Deutschland ausgesprochen. Diese Entscheidung war aber ausdrücklich nicht etwa auf „nachgewiesene Umweltschäden“ gegründet, sondern vielmehr der Unwirtschaftlichkeit einer solchen Förderung geschuldet. Das Fracking könne für Deutschland weder die Versorgungssicherheit erhöhen noch die Gaspreise nachhaltig senken, da die Förderung zu teuer sei. Insofern bestehe kein gesteigertes öffentliches Interesse für eine Erschließung dieser Energieträger. Hinsichtlich der ungeklärten ökologischen Risiken empfehle man derzeit auch keine Zulassung von Fracking in einem kommerziell lohnenden Umfang, so der Rat der Experten. Für die Zukunft schließen sie aber das Fracking auch in Deutschland nicht aus, denn nach Klärung der ökologischen Risiken aus entsprechenden Pilotprojekten könnte sich die Situation später durchaus ändern.
Die Wähler nicht verschrecken
In einem Wahljahr sind Politiker je nach Interessenlage sehr zurückhaltend mit Aussagen, die als eine Befürwortung einer derart umstrittenen Technologie verstanden werden könnten. So gibt es Hinweise darauf, dass insbesondere die CDU/CSU nicht an einer weiteren Diskussion im Wahlkampf zum Thema Fracking interessiert ist, da man Stimmenverluste befürchtet. Doch auch die anderen Parteien haben das Hydraulic Fracturing nicht zum großen Thema gemacht. Die Grünen betonen natürlich nach wie vor ihre „uneingeschränkte Kompetenz“ in Umweltfragen, die nach dem „Verlust“ des Atomthemas für viele Wähler an Aktualität verloren hatten. Doch im Moment stehen eher die sozialen Themen und steuerpolitische Fragen im Mittelpunkt der Parteiprogramme für die anstehende Wahl. So hält sich auch die SPD zurück. Grundsätzlich scheint man hier daran interessiert zu sein, keine allzu klaren Aussagen zum Thema zu treffen. Vertreter der einen wie der anderen Seite sind darauf bedacht, weder Wähler aus dem Spektrum der Umweltschützer zu vergraulen, noch die Industrie durch eine Verweigerungshaltung zu verschrecken. Die Tendenz der lokalen SPD-Verbände geht aber klar in Richtung Ablehnung von Fracking. Auch die FDP möchte das Thema nach Möglichkeit vermeiden, denn hier ist man traditionell eher positiv gegenüber den wirtschaftlichen Interessen eingestellt. Doch da die Partei nach wie vor um das Überleben und den Wiedereinzug in das Parlament kämpfen muss, bleibt wenig Spielraum für eine Klientelpolitik beim Fracking, das derzeit kaum genügend Bedeutung haben dürfte. Bei der Linken ist die Sache einfach, denn hier lehnt man das Fracking schlicht ab.
Wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet?
Neben den reinen Befürwortern und Gegnern des Frackings gibt es aber auch moderate Stimmen, die davor warnen, die Diskussion rein in eine ideologische Ecke zu stellen. Ähnlich wie bei der Frage der Nutzung der Kernkraft scheint man in manchen Kreisen darauf aus zu sein, ein neues Thema für einen umweltpolitischen Kreuzzug zu finden. Umgekehrt verharmlosen andere Kreise die möglichen Folgen und Gefahren derart, dass es aufmerksame Zuhörer schon beinahe wieder alarmieren muss. Fakt ist, dass die grundsätzliche Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten abgesehen von der umweltpolitischen Seite auch eine erhebliche strategische Bedeutung hat. Deutschland hat sich in den vergangenen 30 Jahren so stark an die neuen Partner in Russland gebunden, dass bei einer Änderung des politischen Klimas die Versorgungssicherheit infrage gestellt sein dürfte. Beim Öl sind wir nicht so abhängig vom Mittleren Osten, wie es häufig den Anschein hat. Hier sind die USA der Hauptkunde. Doch gerade das Druckmittel Ölversorgung hat in den letzten 40 Jahren bekanntlich schon öfter zu politischen, wirtschaftlichen und militärischen Krisen geführt, die mit einer geringeren Abhängigkeit der großen Industrienationen von Importen sicher geringere Bedeutung gehabt hätten. Vielleicht sollte man bei solchen Diskussionen eben nicht nur eine Seite beleuchten, was häufig dazu führt, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
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Titelbild: danielfoster437 / Flickr.com – Lizenz: CC BY-SA 2.0
Bild 1: Adam Welz/CREDO Action ref: 20121009_AntiFrackDemoNY-0611 – Lizenz: CC BY 2.0