Am Mittwoch, den 08.06.2016, wurde die Reform des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) vom Kabinett verabschiedet, welche 2019 in Kraft treten soll und die Förderung des Ökostroms auf Ausschreibungen umstellt. Viele haben auf Aufwind für Bürgerwindparks, sprich Bürgerenergie gehofft und werden nun bitter enttäuscht. Auch in der Windenergie Branche regt sich starker Widerstand. Bedeutet die Reform das Ende des Ausbaus erneuerbarer Energien? Fakt ist: Deutschland hängt den Klimazielen von Paris kilometerweit hinterher. Ob eine Begrenzung des Ausbaus von Bürgerenergie und Windparks die richtige Lösung ist und nicht eher noch für ein weiteres Ausbremsen der Energiewende sorgt, ist die Frage der Stunde – zumindest in der Energiebranche und bei aufmerksamen Stromsparern. Die folgenden Informationen sollten also unbedingt in Ihren nächsten Ökostrom Vergleich berücksichtigt werden.
Neueste Updates:
EEG Reform 2016 von Bundestag beschlossen
Neue Industrierabatte für EEG-Umlage
Dabei war der Start der Energiewende einigermaßen erfolgreich, was wir auch in der Geschichte der EEG Umlage genauer beleuchten. So ist es dem Gesetz beispielsweise gelungen, mit seinem Anschluss- und Abnahmevorrang und der Einspeisevergütung, die den Unternehmen für 20 Jahren garantiert wird, die erneuerbaren Energien an den Strommarkt zu bringen und dort kontinuierlich auszubauen. Stets mit dem Ziel vor Augen, auf Grund des Klimawandels, den Ausstieg aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Kernkraft zu meistern. Zugegeben: Es hakt noch an zahlreichen Ecken. Bei Mobilität, Wärme und Kunststoffproduktion gab es kaum Fortschritte. Umso schlimmer ist es, das bisherige Vorzeigeprojekt der Energiewende, den Energiemarkt, nun auszubremsen und zwar zu Gunsten von Großunternehmen, befürchten Experten und Verbraucherschützer gleichermaßen.
Ausschreibung statt Einspeisevergütung – ab 2017
Gerade erst wurde die höchste Windturbine der Welt in der Nähe von Frankfurt von NORDEX fertiggestellt. Doch der Eindruck, dass erneuerbare Energiequellen unaufhaltsam auf dem Vormarsch wären und sich zu Giganten der Stromproduktion mausern, täuscht. Bisher konnten sich Anbieter und Erzeuger, die auf erneuerbare Energien, wie Solaranlagen oder Windturbinen setzen, nämlich auf gesetzlich festgelegte Einspeisevergütungen verlassen, die Sie pro Kilowattstunde Ökostrom erhalten, um so zum Ausbau dieser Stromquellen zu motivieren. Nun soll ab 2019 die Förderung via Ausschreibung vergeben werden. Gute Chancen für die Energieriesen, das Feld zurückzuerobern, wovon sich Bürger und alternative Anbieter mühsam ein Stück erkämpft hatten.
So werden beispielsweise neue Windkraftanlagen nur dann gefördert, wenn sie sich in einer Ausschreibung gegen andere Projekte durchsetzen können. Oder anders gesagt: Wer am billigsten produziert, bekommt den Zuschlag. Doch billig und nachhaltig waren schon immer zwei Adjektive, die nicht so wirklich Hand in Hand gehen. Die Anzahl der Zuschläge wird dabei durch die staatlich festgelegte ausgeschriebene Zubau-Menge (Ausschreibungsvolumen) begrenzt.
Und die Konkurrenz wird voraussichtlich zum Großteil aus den alten Bekannten der Energiebranche bestehen. Dabei erhält nämlich derjenige Investor den Zuschlag, der sein Projekt zu den geringsten Fördersätzen realisiert, sprich: genug Eigenkapital einbringen kann. Die ersten Ausschreibungen werden für Mai 2017 erwartet. Bei Biomasse und Solarenergie soll ein ähnlicher Prozess eingeführt werden. Jedoch sind kleinere Anlagen bis zu 750 Kilowatt Leistung sind nicht von der EEG Reform betroffen.
Überförderungen sollen so minimiert, die Kosteneffizienz gesteigert werden. Doch wer schonmal an einer Ausschreibung teilgenommen hat, kann sich vorstellen, welcher bürokratische Aufwand und welches wirtschaftliche Risiko damit einhergeht. Kleinere Marktteilnehmer werden wohl darauf verzichten. Ein jähes Ende für die hochgelobte Akteursvielfalt der Energiewende. Zusätzlich wird der Ausbau so eher teurer statt billiger. Denn Ausschreibungsmodelle erweisen sich häufig eben nicht als ebenso effektiv, wie gesetzlich fixierte Förderungen a la Einspeisevergütung, da geplante Projekte oft einfach auf Eis gelegt werden.
Dennoch sollen die bislang nur als Pilotprojekt an Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen ausprobierten Ausschreibungen mit dem EEG 2016 auf (fast) alle Energieträger ausgeweitet werden. Die Ausweitung des Ausschreibungsmodells, welches bisher nur bei Pilotprojekten im Bereich der Freiflächen-Photovaltaik-Anlagen angewendet wurde, auf alle Energieträger betrifft unmittelbar vor allem:
- Gebäude-Photovoltaik-Anlagen
- Onshore- und Offshore-Windenergieanlagen
Damit werden die effizientesten und günstigsten erneuerbaren Energiearten geschwächt, was zu 100 % mit den Kostenreduktionszielen des Gesetzes kontrastiert.
Man könnte meinen, dass die etablierten Stromkonzerne durch die Begünstigung großtechnologischer Ansätze im Markt gehalten werden und an der Energiewende beteiligt werden sollen. Allerdings zu Lasten kleinerer Marktteilnehmer, wie Genossenschaften oder einzelner Bürger.
Ausbremsen des Ausbaus von Windenergie
Die Tatsache, dass ab 2017 derjenige die Zuschläge aus Ausschreibungen erhalten soll, der mit dem niedrigsten Fördersatz zufrieden ist, bremst kleine Anbieter natürlich aus, ganz zu schweigen von der sogenannten Bürgerenergie, die anfangs als großer Hoffnungsträger für die Energiewende galt. Am Anfang bestand noch Hoffnung, dass es sich bei der EEG Reform nur um minimale Modifizierungen des EEG-Fördermechanismus handeln würde. Das er fast vollkommen umgestaltet wird, hätte bis Anfang Juni keiner gedacht.
Fakt ist: Das bisherige Fördersystem wird umgestellt. Primär geht es dabei um die Umstellung auf einen Mengensatz. Die bisherige Steuerung über den Preis, soll also zukünftig über die Strommenge erfolgen. Es werden feste Mengen bei den jeweiligen Ausschreibungen festgesetzt, um die sich Anbieter und Erzeuger dann bewerben müssen.
Die neuen Werte für Windparks an Land
- In den ersten drei Jahren 2.700 MW (Megawatt)
- Ab 2022 erfolgt eine Erhöhung auf 2.800 MW
- das entspricht ca. 600 – 900 Windrädern im Jahr
Bei Windenergie auf See (Offshore) bleibt es bei dem Ziel von 15.000 Megawatt bis 2030.
Die neuen Werte für Solaranlagen & Biomasse-Anlagen
- 600 MW für Solaranlagen / Solarparks
- 150 MW für Biomasse-Anlagen
In Bayern wird die Strommenge, dank des Einsatzes der Landesregierung, für Biogas zwischen 2020 und 2022 zusätzlich auf 200 MW erhöht.
Insgesamt befürchtet die Ökostrom-Branche, dass die diesjährige EEG-Reform die Energiewende ausbremst. Bis 2025 sollen demnach nicht mehr als 45 Prozent des Stroms aus regenerativen Energiequellen stammen. Ein deutlicher Rückschlag auf dem Weg zum Ausstieg aus Kohle und Kernkraft. In Bundesländern mit zahlreichen Windturbinen, wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen, wird die Ausschreibungsmenge sogar noch mehr gesenkt. Schlussendlich kann man nur noch die Daumen drücken, dass auch diese Reform, so wie die Verschärfungen im Rahmen der letzten Reform, die Investoren antreibt, ihre Projekte schneller und nachhaltiger zu realisieren.
Die Fördersätze für Windenergie werden sogar schon ab 2017 gesenkt, um zu verhindern, dass Betreiber von Windturbinen vor dem Beginn der Ausschreibungen, noch schnell die grünen Wiesen mit Windkraftanlagen zupflastern. Experten schließen einen kurzen Windkraft-Boom auf Grund von Torschlusspanik trotzdem nicht aus.
Schwarz sehen alle Experten bei Bürgerwindparks und der Bürgerenergie insgesamt – denn sie können bezüglich Kosten und Risiken, verglichen mit finanzkräftigen Investoren und Global Playern, in einer der zukünftigen Ausschreibungen, nicht mithalten.
Doch gerade diese Bürgerenergie, also beispielsweise Windparks im Besitz von Bürgern, sind maßgeblich für Akzeptanz der Windenergie verantwortlich, da ein Großteil der Energie und des Ertrags in der Region bleibt und nicht nur große Investoren von dem Ökostrom profitieren. Gerade in windigen Bundesländern wie Schleswig-Holstein ist das dringend notwendig, da zum Teil schon ganze Dörfer von Windrädern umgeben sind. Der Widerstand beginnt bereits, sich massiv zu formieren. Eine Bevorzugung von Großkonzernen und riesigen Windparks, deren Erträge aus der Region abwandern, anstatt reinvestiert zu werden, wird die Akzeptanz weiter schwächen.
Warnminute für die Verdrängung des Pariser Klimaabkommens
Die IG-Metall und der Bundesverband Erneuerbare Energie rief zu einer Warnminute auf, an der sich in Norddeutschland mehr als 1500 Beschäftigte beteiligten, um ihrem Unmut über die Entscheidungen der Regierung im Zuge der EEG-Reform auszudrücken. Bundesweit waren es sogar 30.000 Menschen, die die Energiewende mit einem Protestmarsch verteidigen wollten.
“Diese EEG-Reform hilft jenen Konzernen, die die Energiewende verschlafen haben”
Marcel Keiffenheim, Greenpeace
Die Bundesregierung, nein, ganz Europa und die entsprechenden Instanzen, scheinen die Ziele von Paris vergessen zu haben, oder einfach nur zu verdrängen. Vielleicht haben sie sich auch einfach nur mal wieder verkalkuliert? Aus welchen Gründen auch immer – das als Erfolg gefeierte Pariser Abkommen schreibt in seinem Art. 2 Abs. 1 fest, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad, möglichst sogar 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau, zu beschränken.
Der Weltklimarat lässt derweil verlauten, dass diese Ziele nur erreicht werden können, wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe in einem Industriestaat wie Deutschland nicht nur teilweise, sondern komplett beendet wird – und zwar schon bis etwa 2027.
Ob die EEG-Reform dabei hilft, oder eher ein Hindernis darstellt, ist umstritten, wobei sie aktuell in den Augen der meisten Diskussionsteilnehmer eher einem Stolperstein, als einer Brücke ähnelt.
Zusammenfassung: Was ist neu am EEG 2016?
1. Der Ausbaukorridor, der vereinbart werden soll, wird eingehalten. Das heißt, dieser Ausbaukorridor soll weder über- noch unterschritten werden.
2. Die Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sollen insgesamt möglichst gering gehalten werden. Das soll vor allem durch die Ausschreibung unterstützt werden. Eingeführt werden Ausschreibungen für alle großen Photovoltaik-Anlagen, für Windenergieanlagen an Land und auf See sowie für Biomasseanlagen ein. Künftig werden damit rund 80 Prozent der Strommenge aus Neuanlagen ausgeschrieben.
3. Die Ausschreibungen sollen für alle Akteure faire Chancen bieten. Das bedeutet, dass auch die vielen kleinen Akteure – Bürgerenergiegenossenschaften und ähnliche – weiterhin Teil der Energiewende sind und in dem Rahmen ihre gute Arbeit fortsetzen können.Quelle der Zusammenfassung: Website der Bundesregierung
Bildnachweise:
Titelbild “Kohlekraftwerk Eemshaven” – fotolia #58696408 / Kara